Querverlag: Das Social-Media-Jubiläumsprojekt #quer20

Beschreibung des Unternehmens/Akteurs

QuerverlagIm Herbst 1995 stellten Ilona Bubeck und Jim Baker auf der Frankfurter Buchmesse das erste Programm ihres kurz zuvor gegründeten Verlags vor. Der Querverlag war damals Deutschlands erster lesbisch-schwuler Buchverlag und ist bislang der einzige geblieben.

Ein Projekt, „das heute noch Avantgarde ist“, schreibt die Siegessäule 2015 in ihrer Septemberausgabe:

„Denn Schwule und Lesben teilen sich zwar mehr oder weniger den Begriff Homosexualität, aber seien wir ehrlich, so viel haben sie eigentlich nicht gemeinsam. Sie interessieren sich eher marginal für das andere Geschlecht und leben nicht einmal in der selben Diskriminierungsheimat. Ilona und Jim, beide leidenschaftliche Buchmenschen, wollten dieses Vorurteil herausfordern und schwule und lesbische Literatur zusammenbringen. […] Bis heute ein einmaliges Verlagskonzept: paritätisch quotiert und das Experiment immer vor die Kommerzialität setzend.“

Zwanzig Jahre gibt es den Querverlag nun schon, 250 Titel, die die ganze Bandbreite queerer Lebenswirklichkeiten und Geschichte dokumentieren, sind seither erschienen: Romane deutschsprachiger Autor_innen machen den Großteil der Programmpolitik aus, der Sachbuchbereich umfasst Ratgeber und Nachschlagewerke bis hin zu wissenschaftlicher Grundlagenliteratur.

Beschreibung der Kampagne

Anfang März 2015 bezeichnete Jim Baker die Netzpräsenz des Querverlags als „rudimentär“. Die Skepsis der beiden Verlagsgründer gegenüber den sozialen Netzwerken war groß. Es gab eine statische Website und eine Facebook-Seite mit 2.300 Gefällt-mir-Angaben, auf der gelegentlich Lesungen angekündigt und Rezensionen verlinkt wurden. Mehr nicht.

Ein halbes Jahr später ist die Facebook-Seite um 15 Prozent gewachsen (+350 Gefällt-mir-Angaben), der im März 2015 eröffnete Twitter-Account hat 210 Follower, der zur selben Zeit eingerichtete Instagram-Account verzeichnet 150 Abonnenten. Die Zahlen wachsen stetig.

Grund der steigenden Social-Media-Wahrnehmung ist das #quer20-Projekt: Eine zeitlich begrenzte Kampagne, die anlässlich des runden Geburtstags des Querverlags von den Kulturfritzen initiiert wurde.

Zum Beginn der Leipziger Buchmesse gingen wir mit #quer20 an die Öffentlichkeit. Zur Frankfurter Buchmesse wird die Jubiläumskampagne beendet – jedoch nicht ohne Folgen.

quer20_logo

Das Herzstück des #quer20-Projekts ist der Jubiläumsblog. Wir haben Autor_innen und Lektor_innen des Querverlags sowie befreundete Buchhändler_innen gebeten, Blogbeiträge über ihre Erlebnisse mit dem Verlag niederzuschreiben. Ilona Bubeck und Jim Baker steuerten Anekdoten aus den letzten 20 Jahren bei sowie sinnige und unsinnige Hitlisten, die in der Rubrik „Unsere 20“ gesammelt wurden. Nach den ersten Veröffentlichungen Mitte März 2015 – geplant waren ein bis zwei Blogposts pro Woche – wurde der #quer20-Blog schnell zum Selbstläufer: Viele Autor_innen boten von sich aus an, Beiträge beizusteuern, ehemalige Praktikant_innen meldeten sich und reichten Texte ein, Leser_innen wollten ihre Lieblingsbücher vorstellen, sogar eine Nachbarin hat einen Beitrag geschrieben. Die sehr persönlichen Texte sowie Fotos und Illustrationen dokumentieren die wechselvolle 20-jährige Geschichte des Querverlags auf vielfältige Weise: Sie liefern Einblicke in Schreib- und Verlagsarbeit, zeugen von der literarischen Bandbreite der Autor_innen, zeigen verpasste Chancen auf, erzählen von Krisen und Beinahe-Bankrotten, von stetig wiederkehrenden Streitpunkten, aber auch von zahllosen glücklichen Momenten.

Wir sind uns sicher: Kein anderer Verlag im deutschsprachigen Raum hat bislang auf ähnlich freimütige Weise seine Geschichte der Öffentlichkeit vorgestellt. Mittlerweile sind über 50 Beiträge veröffentlicht; zur Frankfurter Buchmesse werden es wohl 75 sein.

Neben den Texten wurde auf dem neueröffneten Instagram-Account auch mit Fotos Storytelling betrieben, indem die Backlist des Verlags ins Szene gesetzt wurde. So konnten Bücher in Erinnerung gerufen werden, die entweder vergriffen oder für die keine Werbemaßnahmen mehr geplant sind.

quer20_instagram

Flankiert wurden die Blogbeiträge und geposteten Fotos von Mitmach-Aktionen in den sozialen Netzwerken.

  • Auf Facebook wählten User_innen im April per Klick „Das schönste Cover aus 20 Jahren Querverlag“. An der Aktion beteiligten sich ca. 190 Personen.
  • Im Mai und Juni fand die #quer20_challenge auf Instagram statt. Hierfür wurden 20 erste Sätze aus Querverlagsbüchern ausgewählt und Instagram-Nutzer_innen waren aufgerufen, assoziative Bilder zu diesen ersten Sätzen zu gestalten – ohne zu wissen, aus welchem Buch der Satz kommt. Eine Jury kürte die besten Beiträge aus mehr als 130 Einreichungen.

quer20_challenge

  • Im Juni und Juli fand mit Elke Weigels „Fußballtöchter“, einem Buch aus der Backlist, während der Fußball-WM der Frauen eine Leserunde auf der Social-Reading-Plattform lovelybooks
  • Zurzeit läuft als finale Geburtstagsaktion das #quer20-Quiz, dessen Fragen man durch aufmerksames Stöbern im Blog und auf den Websites der Autor_innen beantworten kann.

Ein Ziel des Projektes war es, den Querverlag als ein Unternehmen vorzustellen, das Bücher publiziert, die nicht nur innerhalb der LGBT*-Community von Interesse sind. Vor allem mit der Leserunde und der #quer20_challenge ist es gelungen, eine andere Zielgruppe anzusprechen. Zahlreichen Teilnehmer_innen war der Querverlag bis dahin unbekannt oder er wurde als „Nischen“-Verlag wahrgenommen. Somit sind die #quer20-Aktionen, die sich – aufgrund der gewählten Plattformen – explizit an eine breite Öffentlichkeit richteten, auch als eine Art „Aufklärungsarbeit im digitalen Raum“ zu verstehen, nicht vordergründig, um Vorurteile abzubauen, sondern eher, damit die literarischen und reellen Lebenswirklichkeiten von Lesben und Schwulen mehr und mehr als selbstverständlich wahrgenommen werden.

Inwiefern war die Kampagne erfolgreich?

Der #quer20-Blog kann ein halbes Jahr nach Projektbekanntmachung (Stand: 12. September 2015) 12.500 Seitenaufrufe und 5.000 Besucher verzeichnen. Das entspricht pro Tag etwa 70 Seitenaufrufen und 28 Besuchern. Eine Analyse der Social-Media-Counts zeigt mehr als 2.000 Interaktionen mit #quer20-Bloglinks auf Facebook (1.610 Likes, 168 Shares, 296 Comments), das entspricht im Durchschnitt 41 Interaktionen pro Blogbeitrag. Insgesamt wurde der Blog 4.450 mal via Facebook aufgerufen. Auf Twitter wurden Links zum Blog 171 mal erwähnt, hierüber fanden mehr als 400 Seitenaufrufe statt.

Ein schwer messbarer, aber sichtbarer Erfolg ist, dass mit #quer20 on- und offline ein lebhafter Austausch über die Arbeit des kleinen Verlags in Gang gesetzt wurde.

„Viele Autor_innen und Buchhändler_innen sprechen mich auf den Blog an und sind begeistert, so viel über unsere Verlagswelt der letzten 20 Jahre zu erfahren. Und ich freue mich über den regen Austausch literaturliebender Menschen rund um den Querverlag und darüber hinaus, der dadurch möglich geworden ist.“ (Ilona Bubeck)

Die Investition an Sachkosten ist übrigens überschaubar. Bislang wurden 21 Freiexemplare für die Gewinnspiele sowie die Leserunde bereitgestellt, hinzu kamen Versandkosten unter 30 Euro.

Da das Jubiläum Ende September gefeiert wird, gelangte das #quer20-Projekt, hier vor allem der Jubiläumsblog, in diesem Monat verstärkt in die Presse. Zahlreiche queere Online-Medien, z.B. queer.de oder lesben.org, berichteten darüber und setzten einen Direktlink zum Blog. Die Siegessäule, Berlins meistgelesenes Stadtmagazin, würdigte den Querverlag auf anderthalb Seiten, mit der Abbildung des #quer20-Logos wurde exponiert auf den Blog hingewiesen.

quer20_siegessaeule

Ausblick: Wie geht/ging es ggf. weiter?

Ziel war es, den Querverlag in den sozialen Netzwerken im Jubiläumsjahr vorzustellen. Im Zuge dessen konnten Instagram und Twitter als neue Kanäle neben Facebook etabliert werden. Die beiden Accounts werden weiter aktiv gepflegt. (Es ist schön zu sehen, wie sich Jim Baker mit Twitter angefreundet hat und dass Ilona Bubeck mit Querverlagsbüchern in Berlin und Umgebung unterwegs ist, um sie für Instagram zu fotografieren.)

„Als klassischer Print-Mensch war ich zwar am Anfang skeptisch, was die Aktion #quer20 tatsächlich bewirken könnte. Sechs Monate später muss ich zu meinem eigenen Erstaunen anerkennen, welche Möglichkeiten und Gelegenheiten wir in den letzten Jahren vernachlässigt haben.“ (Jim Baker)

Auch mit dem #quer20-Blog wird es weitergehen. Er soll in ein digitales Verlagsmagazin überführt werden, wobei der Fokus vom anekdotischen Storytelling über die vergangenen zwanzig Jahre in die Gegenwart und Zukunft rückt. Autor_innen werden über ihre aktuellen Buchprojekte berichten, es wird weiterhin Erlebnisberichte aus der Querverlagswelt geben, Gewinnspiele und Mitmachaktionen sollen auch künftig hier veranstaltet werden.

Darüber hinaus wird ein Querverlagstitel im Online-Format fortgesetzt: 2007 hat Axel Schock mit „Schwule Orte“ einen Reiseführer über 150 berühmt-berüchtigte Schauplätze in Österreich, Deutschland und der Schweiz veröffentlicht. Einige Orte mit schwuler Geschichte, die damals nicht mit aufgenommen werden konnten, und zahlreiche Neuentdeckungen sollen in loser Folge im Blog vorgestellt werden. Ein lesbisches Äquivalent ist ebenfalls in Planung, auch Trans*-Orte sollen berücksichtigt werden.

Wer reicht den Vorschlag ein?

Marc Lippuner
Initiator und allein verantwortlicher Koordinator des #quer20-Projekts

Ein Projekt der Kulturfritzen – Projektbüro für kulturelle Angelegenheiten im sozialen Netz

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