Kulturfritzen: Social-Media-Kampagne zur Theaterproduktion “Die Männerspielerin”

Beschreibung des Unternehmens/Akteurs

Marc Lippuner ist Regisseur, Kulturmanager und Gründer der Kulturfritzen.

Seit 2009 arbeitet Marc Lippuner als künstlerischer Leiter und Regisseur im Theaterkollektiv PortFolio Inc., das bei seinen dokumentarischen Theaterabenden von einem Thema oder einer Fragestellung ausgeht, und sich in eine bis in die finalen Proben nicht endende Recherche begibt und aus dem unerschöpflichen Materialpool Szenen erstellt und diese miteinander verknüpft. Mit den Kulturfritzen versucht er stets Kultur und soziale Netzwerke zusammenzubringen, wobei der Schwerpunkt im Bereich Theater liegt: So initiierten die Kulturfritzen z.B. die Blogparade #TheaterimNetz und waren verantwortlich für das Bloggercafé auf der Konferenz Theater und Netz Vol.4 (#tn16).

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Beschreibung der Kampagne

Die Theaterproduktion „Die Männerspielerin“ setzte sich mit  Anais Nin und deren autobiografischen Schriften auseinander.

„Die Autorin und skandalumwitterte Muse großer Männer (u.a. von Henry Miller und Otto Rank) ist heute, wenn überhaupt noch, vor allem durch ihre Tagebücher bekannt, die sie sukzessive seit den 1960er Jahren veröffentlichte. Durch die Lektüre der Tagebücher wird deutlich, wie stark Nins literarisches Schaffen autobiografisch geprägt ist: Mit ihren Romanen und Erzählungen, mit ihrer wilden Poesie machte sie ihr Leben bereits öffentlich, mit der Herausgabe der Tagebücher begann die Selbstverewigung. Wir gehen von der These aus, dass Anais Nin, würde sie heute leben, eine der ersten und aktivsten Bloggerinnen überhaupt wäre.“

Dieser Aspekt – mit seinen Parallelen zum Social Web – Selbstinszenierung, Autobiografie, Künstlertum, Befindlichkeit, Psychologie, Soziologie, Identität – wurde auf verschiedenen Ebenen und Kanälen herausgearbeitet.

„Unser Ziel ist es, das Theater ins Netz zu holen und das Netz ins Theater zu bringen. Einerseits möchten wir unsere Fragen zu dem Thema auch über den Abend hinweg greifbar machen, in dem wir sie an Euch weitergeben; andererseits möchten wir Eure Antworten auf unsere Fragen und die Ergebnisse Eurer Auseinandersetzung mit Anais Nin, zu der wir Euch ermuntern wollen, in den analogen Theaterabend einfließen lassen.“

Inwiefern war die Kampagne erfolgreich?

Das Außergewöhnliche war hier, dass die Entwicklung einer Theaterproduktion nicht nur im Netz abgebildet und begleitet wurde, sondern eine kreative Wechselwirkung angestoßen wurde.

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„Mir geht es weniger darum, die Proben sozialmedial zu begleiten, vielmehr möchte ich den Entstehungsprozess der Produktion inhaltssatt, gehalt- und geschmackvoll im Netz abbilden. Keine klassische Probendokumentation, kein Making-Of, kein Hinter-die-Kulissen-gucken. Stattdessen eine Art virtuelle Parallelinszenierung, die durchaus auch Interaktionen beinhalten soll.“

Die Recherchen von Portfolio Inc. wurden prozesshaft ins Netz getragen, Austausch und Kommentare waren erwünscht, (Mitmach-)Aktionen wurde initiiert und angeregt und die Ergebnisse flossen in den Stückentwicklungs- und Probenprozess mit ein.

  • Zum einen wurde aus der bereits laufenden Blogparade „Theater im Netz“ geschöpft.
  • Zum Probenbeginn veröffentlichten die Kulturfritzen mit „Versuchsanordnung zur Selbstverewigung“ einen einführenden Blogpost.
  • Es wurde ein Tumblr-Projektblog aufgesetzt, der als Mix aus Mood-Board, Mind-Map, Programmheft und Skizzenbuch angelegt wurde.
  • Chronologisch und kontinuierlich wurde auf Snapchat über den Probenprozess informiert (Nutzername: kulturfritzen).
  • Selbstredend wurden die Facebook- und Twitterkanäle von PortFolio Inc., dem Theater unterm Dach und der Kulturfritzen genutzt, um auf das Projekt aufmerksam zu machen.
  • Mit #ichbinnin wurde angeregt, sich künstlerisch-kreativ in Wort und Bild mit Anais Nin als Kultfigur und Prophetin sozialer Netzwerke (sie träumte von einem café in space) auseinanderzusetzen und/oder die heutigen Möglichkeiten von Selbstdarstellung spielerisch auszuloten oder auch kritisch zu hinterfragen.
  • So entstanden einige Blogbeiträge zum Thema
  • Der Hashtag #ichbinnin wurde auf Twitter und Instagram bespielt, es entstanden Twitterlyrik, Fotos, ein Gemälde, GIFs oder Kurzvideos.

Mit einem Fragenkatalog wurden die Menschen inspiriert, sich dem Thema zu nähern:

  • Was hat Anais Nin mir mir zu tun?
  • Wieviel aus meinem Leben erzähle ich in den sozialen Netzwerken und warum?
  • Welcher Zusammenhang besteht zwischen Selbstinszenierung und Selbstanalyse?
  • Wie viel Kraft kostet es, das Innere nach außen zu kehren, sich selbst bloß zu stellen?
  • Wie viel Kraft kostet es heutzutage, dies eben nicht zu tun?
  • Kuratiere ich mein Ich?
  • Wo ist die Grenze zwischen Persönlichem und Privatem?
  • Welchen Regeln folgt die permanente Selbstinszenierung?
  • An welche Grenzen stößt sie?
  • Was hat das alles mit den Rollen zu tun, die Mann und Frau zugewiesen werden und mit dem Wunsch danach, diese Rollenbilder aufzulösen?
  • Was bedeutet es, andere Rollen einzunehmen, Rollen, die man sich freiwillig aussucht?
  • Möchtest Du Dich selbstverewigen?
  • Warum machst Du Selfies? Warum stellst Du sie ins Netz?

Aber auch die analoge Partizipation wurde mitberücksichtigt, Besucher des Theaterstücks konnten vor Ort einen Zettel mit Assoziationen zu Anais Nin ausfüllen, diese flossen und fließen ad hoc mit in die aktuelle Aufführung ein.

Das Besondere und Neue war der auf so vielen Ebenen miteinander verflochtene und sich gegenseitig befruchtende Austausch. Vielleicht war dieses Projekt nicht so viral in der Breite, dafür in die Tiefe. Es wurde sich in Blogs, auf Instagram und Twitter sehr ernsthaft mit dem Thema Identität und Selbstdarstellung auseinandergesetzt und über die Parallele Social Web und Theater debattiert. Diese enge Wechselbeziehung von Social Media und Theater ist meines Wissens nach bislang einzigartig.

Ausblick: Wie geht/ging es ggf. weiter?

Die Diskussion zum Thema wird auf mehreren Ebenen weitergeführt, auch wenn die Produktion zum Jahresende voraussichtlich abgespielt sein wird.

Wer reicht den Vorschlag ein?

Katrin Schröder

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